Fünftklässler gehen in den Ferien zur Schule – und haben Spaß dabei

Redakteurin
24 neue Fünftklässler der Gesamtschule Waltrop nutzen ein besonderes Angebot, etwas Lernstoff nach der Coronazeit aufzuholen und sich schon einmal an ihre neue Schule zu gewöhnen. © Meike Holz
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Diese Szene sagt einiges: Über den Schulhof der Gesamtschule läuft ein Junge im Eiltempo Richtung Schuleingang, zieht seinen Vater fast hinter sich her: „Komm schnell, sonst bin ich zu spät!“ Und zu spät zur „Extra-Zeit zum Lernen“ zu sein, dass will offenbar keines der 24 Kinder, die an diesem besonderen Angebot teilnehmen.

Kurz vor den Sommerferien habe es geheißen, dass ein solches Angebot gemacht werden könne über das entsprechende Landesprogramm (siehe Info-Kasten unten). Es ist gedacht dafür, die Lernlücken zu schließen, die während der zehrenden Zeit zwischen Homeschooling und Distanzunterricht entstanden sind. Und zwar sowohl, was den Unterricht angeht, als auch, was das soziale Lernen angeht, unterstreicht Astrid Fuhrmann, die neue Leiterin der Gesamtschule.

Eltern der Fünftklässler informiert

Sie hat jedenfalls in Windeseile und in Zusammenarbeit mit dem Chancenwerk das Angebot konzipiert und dann die Eltern der neuen Fünftklässler informiert. Denn die „Neuen“ hätten in Nicht-Corona-Zeiten schon in ihrer Zeit als Noch-Viertklässler die Gesamtschule besucht, um sie kennenzulernen, aber all das fiel bekanntlich flach. Insofern fängt das „Extra-Zeit“-Angebot auch davon ein wenig auf, und die Kinder können sich noch bevor es nächsten Mittwoch richtig losgeht, schon ein wenig umschauen an der Gesamtschule. Die wirkt mit ihren zwei Standorten und angesichts ihrer Größe möglicherweise ein wenig einschüchternd auf die Jungen und Mädchen.

Doch die 24 – die Nachfrage war so groß, dass noch eine Warteliste angelegt wurde – sind schon am zweiten Tag sehr munter, kaum noch zurückhaltend und stattdessen hochmotiviert.

Gemeinsam mit Studentin Natalie Calcagno sitzen die Kinder schon wieder in den Unterrichtsräumen, obwohl ja eigentlich noch Ferien sind. © Meike Holz © Meike Holz

Vier Studentinnen, Madeline Stratmann, Nadiena Ithaiyakumaran, Vivian Bernhardt und Natalie Calcagno, sowie Schulsozialarbeiter Nils Schuchardt betreuen das Angebot, als unsere Redaktion die Kinder besucht. Zu Beginn gibt es immer ein „Aufwärm“-Spiel. An diesem Tag sitzen alle im Stuhlkreis, ein leeres Glas geht herum, die Kinder blicken hinein und sagen „Ich sehe den Mond“. Eines von ihnen ist anfangs eingeweiht; weiß, wann man wirklich „den Mond sieht“. Für die anderen geht es darum, genau hinzuschauen, hinzuhören: Was macht der Mitschüler, der „den Mond sieht“, anders als diejenigen, die das nicht tun? Später wird ein weiteres Kind eingeweiht – und nach und nach kriegen es auch immer mehr von ihnen raus: „Den Mond sieht“, wer beim Entgegennehmen des herumgereichten Glases „danke“ zu seinem Nebenmann sagt.

Mathe, Englisch und Deutsch auf dem Stundenplan

Und dann geht‘s richtig ans Werk: Mathe, Englisch und Deutsch, in diesen Fächern arbeiten sich die Kinder schon mal wieder ran an die Schulzeit. Dass sie hier sitzen, während eigentlich noch Ferien sind, scheint ihnen nicht die Bohne etwas auszumachen. Schließlich sind die Lernangebote aber auch spielerisch angelegt. „Kennt ihr Ecken-Rechnen?“, fragt Vivian Bernhardt. Alle Kinder stellen sich in eine Ecke, dann gibt es Kopfrechen-Aufgaben, und wer als Erster die richtige Antwort weiß, darf eine Ecke weiterrücken.

Gemeinsam mit Studentin Natalie Calcagno sitzen die Kinder schon wieder in den Unterrichtsräumen, obwohl ja eigentlich noch Ferien sind. © Meike Holz © Meike Holz

Madeline Stratmann studiert an der Uni in Dortmund auf Lehramt, hat die Fächer Englisch und Theologie. Sie ist seit 2018 für das Chancenwerk tätig. Chancenwerk, das ist ein mittlerweile bundesweit tätiger Verein, zu dessen Kooperationsschulen auch die Gesamtschule Waltrop zählt. Der Verein hat sich zur Aufgabe gemacht, Bildungsbenachteiligungen auszugleichen und Lernförderung zu betreiben, und zwar nach dem Prinzip des „Gebens und Nehmens“. Sprich: Ältere Schüler helfen mit bei der Betreuung von jüngeren, und dafür bekommen sie wiederum kostenlos Intensivkurse in einem Fach ihrer Wahl von Studierenden, die fürs Chancenwerk tätig sind. Sie habe seinerzeit über eine Freundin vom Chancenwerk erfahren, erzählt Madeline Stratmann: „Ich fand das Konzept richtig gut.“ In letzter Zeit hatten sie, wie das in vielen Lebensbereichen der Fall war, ins Digitale ausweichen müssen. Aber jetzt ist – wenn auch mit Maskenschutz – bei der „Extra-Zeit“ wieder in Präsenz etwas möglich. Die Zusammenarbeit mit den Chancenwerk-Leuten habe sich angeboten, erklärt Schulleiterin Astrid Fuhrmann. Zumal die „Extra-Zeit zum Lernen“ weitergehen soll, wenn die Schule wieder begonnen hat. Wie genau, das werde in den nächsten Tagen noch besprochen, so die Pädagogin.

Stichwort

Förderprogramm „Extra-Zeit zum Lernen“

Das Förderprogramm „Extra-Zeit zum Lernen in NRW“ hat das Landesministerium für Schule und Bildung aufgelegt. Für die Zeit von März 2021 bis Sommer 2022 stehen 36 Millionen Euro zur Verfügung; das Land werde „die Gesamtfördersumme auf bis zu 60 Millionen Euro bedarfsgerecht erhöhen“.

An das Programm angedockt ist zudem das Angebot „Extra-Zeit in den Jugendherbergen“: Noch bis zum Beginn der Herbstferien gibt es kostenlose Kinder- und Jugendfreizeiten. Die Kinder, die teilnehmen, müssen nichts bezahlen; die Kosten werden zu 80 Prozent über das Schulministerium und zu 20 Prozent über die Landesverbände Rheinland und Westfalen-Lippe des Deutschen Jugendherbergswerkes (DJH) finanziert. Allerdings: Die Nachfrage ist groß; sämtliche Freizeiten aus „Extra-Zeit in den Jugendherbergen“ sind derzeit ausgebucht.

Angebunden ist zudem die „Extra-Zeit für Bewegung“, die der Landessportbund NRW organisiert – denn in Pandemie-Zeiten ist bekanntlich viel Vereins- und Schulsport ausgefallen, zudem fielen auch viele sonstige Bewegungsmöglichkeiten flach. Gefördert werden im Rahmen von „Extra-Zeit für Bewegung“ sogenannte „sportpraktische Gruppenangebote“, an denen mindestens zehn Kinder oder Jugendliche teilnehmen und die sechs Zeitstunden umfassen, die aber auch auf mehrere Tage verteilt werden können – dafür gibt es maximal 500 Euro. Beantragen können die Gelder Sportvereine, Bünde und Verbände.

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