„Alter Graben“ in Waltrop „Rundum-sorglos-Paket“ für Migranten gibt es im Quartiershaus nicht

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"Kommen Sie rein!" Mete Topcu bittet ins Quartiershaus an Alten Graben in Waltrop © Markus Weßling
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Wer ins Quartiershaus am Alten Graben im Waltroper Osten kommt, der muss nicht zum x-ten Mal wie vielleicht bei staatlichen Stellen seine Flucht- oder Migrationsgeschichte erzählen, wenn er das nicht will. Natürlich wäre hier Raum dafür, wenn Leute reden wollen. „Aber gedrängt wird niemand“, sagt Quartiersmanager Mete Topcu.

Gerade weil er diese Informationen nicht hat, kann er sich mehr auf Äußerlichkeiten einlassen: was die Leute aus verschiedenen Kulturkreisen essen, wie sie mit ihren Kindern umgehen. Solche Sachen. Er sieht sich nicht in der Rolle, normative Vorgaben zu machen. Klar: Wenn Eltern ihre Kinder zum Beispiel allzu leichtfertig auf der Straße spielen lassen, sagt der Sozialpädagoge etwas. Sonst meistens nicht.

Das Quartiershaus ist ein offenes Angebot. Topcu sagt, natürlich unterstützten er und seine Kollegin bei alltäglichen Anliegen (Bürozeiten: dienstags 11 bis 13 und 16 bis 18 Uhr), aber nicht im Sinne eines Rundum-sorglos-Pakets, denn das sei zwar vielleicht gut gemeint, aber nicht nachhaltig. Es geht ihm um „Hilfe zur Selbsthilfe“ für Deutsche und Menschen, die aus anderen Teilen der Welt zu uns kommen. Nicht immer wird sie angenommen.

Ein Beispiel: Eine Frau hatte sich an ihn gewandt, weil es keine Fahrrad-Unterstände an den Häusern in der Siedlung gibt, die einer Wohnungsgesellschaft gehören. Er suchte die Kontaktdaten der zuständigen Person der Wohnungsgesellschaft heraus, damit die Frau sich selbst mit ihr in Verbindung setzen konnte. Doch die Frau wollte offenbar, dass er ihr die Sache komplett abnimmt. Als er ihr die Kontaktdaten übergeben wollte, war sie schon weg. Ein Formular für jemanden ausfüllen, einen Anruf bei einer Bank tätigen? Topcu hilft, aber ganz abnehmen wird er die Aufgabe den Leuten in der Regel nicht.

Integration war einst nicht der Plan

Dann ist da die Sache mit der Sprache: Im Quartiershaus wird Deutsch gesprochen, das ist Mete Topcu wichtig, denn Spracherwerb sei das A und O. „Nur wenn es um eine komplexe Sache geht und ich sicher sein will, dass man sich richtig versteht, wechsle ich auch mal ins Türkische“, sagt Mete Topcu. Er beherrscht beide Sprachen, hat einen türkischen Migrationshintergrund und auch Pässe beider Länder. Er hat auch seine Eltern schon damit konfrontiert, warum sie trotz vieler Jahre in Deutschland die deutsche Sprache wenig beherrschen. Die Antwort: „Weil sie es am Anfang nicht mussten. Sie kamen als „Gastarbeiter“, blieben unter sich, in dem Begriff steckt schon das Verständnis, dass sie irgendwann wieder gehen werden.“ Integration in die deutsche Gesellschaft, das war zuerst gar nicht der Anspruch der hiesigen Politik und Gesellschaft.

Im Sprachcafé kann man auch nachfragen

Mete Topcu Quartierhaus Alter Graben Waltrop
Mete Topcu lädt zum Quartiersfest im Alten Graben 16 in Waltrop ein.© Weßling

Jetzt, da die Eltern Senioren sind, ist für sie der Integrations-Zug, jedenfalls was die Sprache angeht, weitgehend abgefahren, so nehmen sie das wahr. Doch in dem Maße, in dem klar wird, dass die nachfolgenden Generationen ihnen Lebensmittelpunkt in Deutschland haben werden, haben sie ein wachsendes Interesse daran, dass diese sich hier integrieren. So wie Mete Topcu selbst, der einst Groß- und Einzelhandelskaufmann war, beruflich mit Reifen zu tun hatte, bis ihm durch den Zivildienst klar wurde, dass er eher im sozialen Feld arbeiten wollte und dem seine interkulturelle Erfahrung nun zugutekommt.

Menschen, die einst als „Gastarbeiter“ nach Deutschland kamen, haben die Generation ihrer Kinder und Kindeskinder, die beim Übersetzen helfen kann, wenn es nötig ist. Geflüchtete, die etwa seit 2015 ins Land kamen, oder Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind, haben solche Hilfe mitunter nicht.

So gehört zum etablierten Angebot im Quartierhaus, das demnächst von außen deutlicher als solches zu erkennen sein soll (Topcu: „Man denkt bisher eher, es handelt sich um einen Kindergarten“) auch das „Sprachcafé“. Immer mittwochs, donnerstags und samstags, angeboten in einer „leichten“ und einer „schweren“ Version sowie neuerdings speziell für Jugendliche an Samstagen. Das ist kein formalisierter Sprachkurs, hier muss man keinen Test bestehen, traut sich vielleicht mehr nachzufragen. Mancher empfindet das als einen geschützteren Raum.

Das Quartierhaus macht generell kein Angebot „von oben herab“. Es lebt vielmehr von den Bedürfnissen und Ideen der Menschen, die es besuchen, hier Aufgewachsene ebenso wie Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte. Willkommen sind alle, inzwischen auch über die strikten Grenzen des Quartiers am Alten Graben und der Adamsstraße hinaus. „Viele unserer Angebote hängen ganz stark an Personen“, sagt Mete Topcu, der sich seine Stelle mit seiner Kollegin Laura Lehnert teilt. Ein Englisch-Sprachangebot zum Beispiel wurde nicht mehr weitergeführt, als die Kursleiterin aufhörte. Ein „Gartentreff“ hingegen läuft mit großem Erfolg weiter.

Erstmals Kooperation mit der „One World Party“

Es gibt eine Bibelstunde am ersten Sonntag im Monat im Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirchengemeinde, zu der Christen aus dem Iran kommen. Ein entsprechendes Angebot auch für den Koran, ein interreligiöser Dialog? Mete Topcu wäre sehr offen dafür, aber es müsste eben von den Leuten selbst kommen.

Ein Viertel, vielleicht sogar ein Drittel der Menschen in der Siedlung seien Migranten, schätzt Topcu. Früher lebten hier vor allem türkischstämmige Menschen, die als „Gastarbeiter“ kamen. Heute ist es bunt gemischt.

Bunt gemischt, so hofft Topcu, soll auch die Besucherschar beim Quartiersfest sein, das am Samstag, 3. Juni, von 13 bis 22 Uhr stattfindet. „Erstmals kooperieren wir mit der One World Party der Flüchtlingshilfe“, sagt Topcu. Es gibt „internationale Speisen und Getränke zu fairen Preisen“, Musik, Angebote für Kinder und eine Tombola mit attraktiven Gewinnen.